Abschied von Landrat Hans-Jürgen Petrauschke
Veröffentlicht: Montag, 27.10.2025 05:42
Nach 16 Jahren als Landrat und über 40 Jahren beim Rhein-Kreis Neuss geht Hans-Jürgen Petrauschke in Rente. Das Abschiedsinterview mit NE-WS 89.4-Morningshow-Moderator Timo Gerke.

Timo: Jetzt hab ich euch die ganze Woche die Neuen in den Ämtern hier im Rhein-Kreis Neuss vorgestellt. Die neuen Bürgermeister in Kaarst und Jüchen und die neue Landrätin. Zum Abschluss habe ich heute hier in der NE-WS 89.4 Morningshow noch einen - ja - Darf ich alten Hasen sagen, Herr Petrauschke?
Hans-Jürgen Petrauschke: Kann man glaube ich in meinem Alter vertragen.
Timo: Hans Jürgen Petrauschke, seit 16 Jahren schon Landrat hier im Rhein-Kreis Neuss. Herr Petrauschke, es gibt Menschen hier im Kreis, die dürfen schon Alkohol trinken und kennen den Rhein-Kreis Neuss nicht ohne Sie.
Hans-Jürgen Petrauschke: Gute Sache.
Timo: Find ich gut. Wir haben uns große Mühe gegeben, weder Kosten noch Mühen gescheut, um einem Landrat mit einer Amtszeit von 16 Jahren ein gebührendes, auditives Geschenk zu machen. Darum hier jetzt in 8 Sekunden ein Best-of Ihrer NE-WS 89.4 Interviews.
Archiv-Töne von Hans-Jürgen Petrauschke:
Sie wissen ja, dass ich Beamter bin. Das kann jeden treffen und auch nicht nur ältere. Ich war tatsächlich, als ich es hörte, auch im Auto - nicht ganz nüchtern vielleicht.
Reaktion Hans-Jürgen Petrauschke: Ja, ich bin dem Sender ja immer sehr verbunden gewesen.
Timo: Herr Petrauschke - als Moderator, ich habe Interviews mit Ihnen immer geliebt, das darf ich einfach mal so spiegeln. Ab November ist jetzt aber offiziell Schluss, Sie waren bei der letzten Kommunalwahl nicht mehr angetreten, ist das schon angekommen bei Ihnen?
Hans-Jürgen Petrauschke: Ja, ich habe heute gerade mein Büro endgültig geräumt, damit das für meine Nachfolgerin auch rechtzeitig dann umgestaltet werden kann. Sind schon gemischte Gefühle.
Timo: Das glaube ich Ihnen. Was machen Sie denn jetzt in der Zwischenzeit ohne Büro? Also Sie arbeiten ja faktisch noch weiter, eigentlich.
Hans-Jürgen Petrauschke: Das Büro war zum größten Teil ja ohnehin im Auto. Also ich bin ja viel unterwegs gewesen, aber ich habe Asyl gefunden bei meinen Referentinnen.
Seit 40 Jahren beim Rhein-Kreis Neuss
Timo: Insgesamt sind Sie seit, und das muss man sich wirklich mal vor Augen führen, ´84 bei der Kreisverwaltung. Da war ich noch nicht mal geboren - über 40 Jahre. Meinen Sie nicht, Sie werden aus Versehen statt nach Hause noch mal irgendwann ins Büro fahren, wenn Feierabend ist?
Hans-Jürgen Petrauschke: Ich habe ja vorher schon immer gesagt: „Woran erkennt man, dass man nicht mehr Chef ist, wenn man hinten rechts einsteigt und vorne fährt keiner los.“ Also insofern kann das kaum passieren.
Timo: Wie gehen Sie nach Ihrem letzten Arbeitstag raus aus dem Kreishaus? Haben Sie da schon Pläne?
Hans-Jürgen Petrauschke: Am letzten Tag wird eine kleine Verabschiedung stattfinden, sodass ich gar nicht vom Büro aus nach Hause komme, sondern von Schloss Dyck aus.
Timo: Freut sich dann ihre Frau, dass sie jetzt mehr zu Hause sind oder hat sie Angst?
Hans-Jürgen Petrauschke: Müssen wir mit ihr besprechen.
Timo: Frage ich sie dann - können wir ja kurz erzählen. Also unsere Elternhäuser sind ja quasi Nachbarn, Sie haben mir schon mal Brötchen weggekauft morgens.
Hans-Jürgen Petrauschke: Ja. Ja, aber ich hätte sie Ihnen wieder weiterverkauft, vielleicht gegen einen kleinen Aufpreis. Aber es...
Timo: Hat er mehrfach angeboten und ich glaube ihm auch, dass er den Aufpreis kassiert hätte...
Hans-Jürgen Petrauschke: Nein, nein, nein, nein, nein.
"Man ist ja kein Diktator"
Timo: Herr Petrauschke - ich traue mich kaum zu fragen, aber in all den Jahren gibt es da das eine Erlebnis, wo Sie sagen, das werde ich niemals vergessen?
Hans-Jürgen Petrauschke: Davon gibt es mehrere. Also natürlich bleibt allen glaub ich im Kopf die Corona Zeit. Und da auch nicht nur, dass wir da unsere Testzentren, unsere Nachverfolgung, unsere Impfzentren immer wieder mal aufgebaut haben, sondern insbesondere auch als die Bilder kamen aus Madrid, aus Norditalien, aus New York, wo wir dann gesagt haben, wo ich dann gesagt habe, auch mit den Fraktionsvorsitzenden damals abgesprochen, bauen wir mal ein Notkrankenhaus im Böhler Areal, das nie in Betrieb gegangen ist. Aber ich war froh, dass wir es hatten.
Timo: Gut, dass das prägend ist, kann ich mir gut vorstellen. Gibt es denn irgendwas, womit Sie so richtig zufrieden sind? In all den Jahren? Wo Sie sagen, das hab ich wirklich gut gemacht.
Hans-Jürgen Petrauschke: Mir hat es ja immer Spaß gemacht auch junge Leute auszubilden. Ich wollte ja eigentlich Lehrer werden, keiner kann sich mehr dran erinnern, dass 1984 Lehrerschwemme, Medizinerschwemme, aber auch Juristenschwemme da waren. Und wenn ich dann sehe, wie viele junge Leute dann auch ihre Karriere beim Kreis gemacht haben oder woanders, das ist eigentlich schon ganz toll, dass man sagen kann, das sind so in Anführungsstrichen meine Kinder, aus denen was geworden ist.
Timo: Also Sie haben was hinterlassen beim Kreis, ja?
Hans-Jürgen Petrauschke: Ich glaube, dass da in den Menschen, die dort arbeiten, ein bisschen was von dem drin steckt, was ich denen auch versucht habe beizubringen.
Timo: Ist ein schöner Gedanke, finde ich. Gibt es auch irgendwas, was Sie bereuen?
Hans-Jürgen Petrauschke: Ach ja. Man ärgert sich über die Jahre hinweg auch über das ein oder andere, aber in der Summe kann man sagen, ist das Wesentliche positiv geblieben.
Timo: Das reicht mir nicht. Gibt es einen Punkt, was Konkretes, wo Sie sagen: Nee, hätte ich besser machen können?
Hans-Jürgen Petrauschke: Ja, besser machen können hätte man vielleicht vieles. Also ärgern tue ich mich beispielsweise, dass die damals vor vielen Jahren von mir angedachte Wohnungsbaugesellschaft beim Kreis so nicht entstanden ist, weil auch die Städte und Gemeinden immer sagen, brauchen wir nicht, brauchen wir nicht, und inzwischen ist das über kleinere, dann Genossenschaften dann doch gekommen. Da ärgert man sich, dass das nicht schneller gegangen ist. Aber da gibt es mehrere Beispiele dafür. Aber so ist das in der Demokratie. Das dauert manchmal länger, bis man die Leute überzeugt hat. Man ist ja kein Diktator.
Über Lieblingsorte und Pflanzen
Timo: So, ich muss jetzt dazu sagen, kleine Geschichte als Einschub. Ich glaube, ich kenne keinen Menschen, der den Rhein-Kreis Neuss so kennt wie Sie. Wir haben mal gemeinsam, es ist einige Jahre schon her, so eine, ich nenne es mal Touribus-Tour, gemacht durch den Rhein-Kreis Neuss. Wir beide saßen vorne, waren Reiseleiter, mein Redeanteil, und das ist sehr ungewöhnlich, lag so ungefähr bei ein bis zwei Prozent, weil Sie einfach alles kennen und wissen. Sie haben gar nicht mehr aufgehört zu reden. Das ist Wahnsinn…
Hans-Jürgen Petrauschke: …also es macht mir richtig Spaß mit den Leuten auch diese Bustouren zu machen und als Reiseleiter hätte ich ja vielleicht auch nach meiner Pensionierung noch die ein oder andere Chance weiterzugehen, aber es ist eben besonders wichtig, das hat auch mein Vorgänger Patt immer gesagt, wie wenig die Menschen dann doch im Detail über den Kreis wissen. Da könnten Sie anfangen bei der Insel Hombroich. Wie viele Leute waren schon mal da, Schloss Dyck - gut besucht, da ist das ein bisschen anders, aber wir haben so viele tolle Sachen, auch so viele tolle Unternehmen bei uns im Rhein-Kreis Neuss, da wäre es schon schön, wenn mehr Leute Bescheid wüssten, was da alles passiert. Nehmen sie allein den Neusser Hafen. Fahren die Leute meistens vorne vorbei, wenn ich dann mit denen, dann mal mit dem Bus dadurch fahre, heißt es: Wir wussten gar nicht, wie groß das ist! Oder gehen Sie zum Tagebau! Wie viele Leute waren noch nie so richtig an dem Loch oder in dem Loch, wenn Sie da reinfahren und stehen neben dem Bagger, da kommen sie sich vor wie eine kleine Ameise neben einem großen Auto. Das sind alles Erlebnisse, oder?
Timo: Leute habt Ihr gemerkt? Das geht schon wieder los. Der hört überhaupt nicht mehr auf zu erzählen…
Hans-Jürgen Petrauschke: Ja ne - eins will ich trotzdem noch erwähnen, weil es auch an den Kraftwerken ist. Die sogenannte Tomatenfabrik, wo dann auch nachts schon mal Leute angerufen haben, wenn das beleuchtet war im Winter, ob es da irgendwo brennt und wenn Sie da rein kommen, das ist auch schon bei Fahrradtouren passiert, die Tür geht auf und die Leute machen alle „Oh“, als wenn die Weihnachten ins Zimmer gingen, wo die Geschenke stehen. Das ist eigentlich toll.
Timo: Jetzt muss aber auch gut sein. So viel Sendezeit haben wir nicht, wie damals auf der Bustour. Haben Sie denn einen Lieblingsort von all diesen hier im Kreis? Und zu Hause zählt nicht...
Hans-Jürgen Petrauschke: Also ich war auch immer gerne bei mir im Büro. Da sitze ich jetzt, oder saß ich jetzt insgesamt 29 Jahre mit einem Balkon, wo Blumen draußen sind, ein Büro, das in den Jahren nie beheizt worden ist, auch im Winter nicht. Und wo am Balkon dann auch vorne schöne Blumen prangen, da habe ich mich schon immer richtig wohl gefühlt.
Timo: …wenn Sie ihr Büro schon ansprechen. Gibt es jetzt, wo es ja dem Ende zugeht, einen Gegenstand, den sie besonders vermissen werden?
Hans-Jürgen Petrauschke: Ja, ich habe ja zwei Begleiterinnen bei mir, das sind zwei Pflanzen, die 40 Jahre mich begleitet haben in meinen insgesamt 3 Büros, die ich beim Kreis haben durfte. Die werden mir dann schon fehlen, die haben immer für gutes Klima gesorgt.
Timo: Haben Sie die auch selbst immer gegossen?
Hans-Jürgen Petrauschke: Auch, aber auch das Vorzimmer hat mitgeholfen. Die waren wirklich toll!
Timo: Hört ihr das? Das ist echte Liebe zu Pflanzen!
Zukunftspläne
Timo: Aber was machen Sie denn jetzt? Ihnen muss doch - also Sie waren 24/7 als Landrat unterwegs - Ihnen muss doch super langweilig werden, oder haben Sie schon mit Hobbys vorgebaut? Streaming-Abos? Haben Sie schon alle Staffeln Too Hot to Handle gesehen? Was ist Ihr Plan jetzt für die Zukunft?
Hans-Jürgen Petrauschke: Da muss ich zugestehen, vielleicht auch leider, dass ich keinen Plan habe, aber das wird sich alles ergeben. Das ein oder andere Gremium werde ich ja weiter auch betreuen können. Ich habe ja noch ein paar Ehrenämter, die ich ausübe. Wenn ich aber 24 Stunden, 7 Tage die Woche bislang unterwegs war und ich jetzt sage, jetzt will ich was Ahnliches haben, habe ich auch was falsch gemacht. Also es soll ja schon weniger werden und der Garten ist zu kurz gekommen, der Sport ist zu kurz gekommen, Familie ist zu kurz gekommen, da müssen wir mal gucken, dass wir da noch einiges in die Reihe bekommen.
Timo: Aber das sind doch schon gute Ziele. Also ich finde Garten, Sport, Familie - da gibt es schlechtere Pläne und ich hätte hier noch einen Plan von Ihnen - der ist letztens mal aufgekommen, als unser Chef länger im Urlaub war.
Archiv-O-Ton von Hans-Jürgen Petrauschke: Ich heiße Hans Jürgen Petrauschke, bin der Chefredakteur in Lauerstellung für November 2025.
Timo: Mhm, wie sieht es denn jetzt aus damit?
Hans-Jürgen Petrauschke: Ja, soweit ich weiß, ist Tony Kaufmann jetzt nicht längere Zeit weg. Ich will ihm den Job nicht wegnehmen, aber wenn ich gebraucht würde, käme ich.
Timo: Wir dürfen uns jederzeit melden?
Hans-Jürgen Petrauschke: Immer.
Timo: Na gut, dann war das jetzt wahrscheinlich unser letztes Interview, Herr Petrauschke.
Hans-Jürgen Petrauschke: Jedenfalls als Landrat. Ich komme dann im Bürgerfunk oder sonst wo vielleicht noch mal zurück!
Timo: Er kennt die Tricks.
(Das Interview wurde geführt am 15.10.2025)



