Kleine Häuschen für Obdachlose - auch im Rhein-Kreis Neuss

Der Verein "Little Home" baut kleine Häuser, um obdachlose Menschen von der Straße zu holen. Eins davon steht zum Beispiel auch in Kaarst-Vorst.

© NE-WS 89.4

Der Verein arbeitet mit allen möglichen Firmen deutschlandweit zusammen. Hier im Rhein-Kreis Neuss zum Beispiel mit Medtronic in Meerbusch. Die Firmen übernehmen dann auch die Kosten für die Materialien. Ein Haus kostet etwa 3500 Euro. Und das machen die Firmen, obwohl sie finanziell gesehen nichts davon haben - einfach nur weil sie sich sozial engagieren wollen.

Kleiner Wohnraum - aber alles da!

Die Häuschen sehen aus wie kleine Gartenhäuschen oder teilweise auch wie Zirkus-Wohnwagen. Sie sind bis zu acht Quadratmeter groß. Aber in den Häusern sind Küchenzeilen eingebaut; Betten, auch eine Toilette. Vergleichbar ist das mit Dauercamping. Laut Verein können die Bewohner aber oft auch benachbarte Einrichtungen aufsuchen, um auf die Toilette zu gehen. Duschen gehe zum Beispiel bei karitativen Einrichungen oder in Obdachlosenunterkünften.

Mit dem Häuschen in ein neues Leben

Aktuell hat der Verein über 300.000 Anfragen aus ganz Deutschland. Drogensucht und stark ausgeprägter Alkoholkonsum seien zum Beispiel Ausschlusskriterien. Dafür gebe es andere Anlaufstellen, die helfen können, sagt der Vereinsvorsitzende Sven Lüdecke. Und dann schaut "Little Home": Wer will wirklich was in seinem Leben ändern? Wer möchte sich sogar am Bau des Häuschens beteiligen? Und dann sind die Obdachlosen auch wirklich dabei, wenn das Haus fertiggestellt wird. Das hat den Vorteil, dass sie eine Bindung zu ihrem neuen Zuhause aufbauen.

"Sie achten auf die Umgebung. Sie halten den Platz sauber. Und das sind alles so kleine Schritte, die man braucht, um die Straße irgendwann hinter sich zu lassen", so Lüdecke.

Ganz wichtig: Der Verein lässt die Betroffenen in ihren Häuschen nicht einfach alleine. Da kommen immer wieder Ehrenamtler vorbei und helfen zum Beispiel bei Anträgen oder wenn es darum geht, eine Krankenversicherung abzuschließen.

"Als ich angefangen habe mit Little Home, habe ich gedacht: 'Ich baue so ein Haus, ich verschenke es und ich bin aus der Verantwortung'. Dann haben wir relativ schnell gemerkt, dass die Menschen sich nach einer gewissen Zeit öffnen und auch sagen: 'Hey, kannst du mir helfen?' Dass die gar nicht so die Wege alleine beschreiten können. Und wir haben uns das als Aufgabe gemacht, wirklich hinzuhören, da zu sein und zu helfen, weil ich glaube, wenn man mit offenen Augen und offenen Ohren durch die Straßen läuft und auch den Menschen zuhört, kann man was verändern."

Sven Lüdecke ist stolz auf sein Team und die Leute, denen sie helfen konnten. Wie lange die Häuser bewohnt sind, sei übrigens auch immer unterschiedlich. Der eine lebe für ein Jahr darin, der andere bleibe sein Leben lang. Über 350 Häuser hat der Verein mittlerweile gebaut. Weitere sind in Planung. Auch in Neuss und Meerbusch wolle man sich in Zukunft erweitern, so Lüdecke.

Beispiel: Wie "Little Home" Chrissis Leben verändert hat

Chrissi lebt jetzt seit etwa einem Jahr in einem der Little Homes in Köln in der Nähe von einem großen Stadtpark. Dort habe sie nicht nur ein Zuhause gefunden, sondern vor allem auch einen Ort, wo sie sich sicher fühle:

"Ich hab meine Ruhe. Ich kann abschließen. Ich kann das Fenster zu machen. Gab's früher ja nicht. Da warst du einfach ein Opfer der Straße", erzählt Chrissi, während sie sich in ihrem Häuschen umschaut.

Hier habe sie nicht nur das Nötigste. Sie hat sich ihre acht Quadratmeter gemütlich eingerichtet: Mit viel Deko und Pflanzen. Über ihrem Bett hängt eine Lichterkette, an der Decke ein rosa Cowboy-Hut.

Chrissi fühlt sich wohl in ihrem Little Home. Seit einem Jahr lebt sie jetzt hier.© NE-WS 89.4
Chrissi fühlt sich wohl in ihrem Little Home. Seit einem Jahr lebt sie jetzt hier.
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Ihr altes Leben hat Chrissi mit ihrem neuen Zuhause hinter sich gelassen, erzählt sie:

"Wo meine Mutter genau bei meinem Sohn am Geburtstag gestorben ist, ich den falschen Mann kennengelernt hab, da hatte ich nicht den Gedanken, ich geb mich auf, aber ich hatte keine Kraft mehr, weil meine Mutter war 27 Jahre mein Pol - der war da und auf einmal war sie weg und ich stand da und kam nicht mehr klar."

Die Folge: Sie sei dann in einen Strudel aus harten Drogen gerutscht. Von ihrem Vater sei sie deswegen rausgeschmissen worden. Jahrelang habe sie dann mit ihrem Ex-Partner auf der Straße gelebt. Irgendwann hätten die Straße und die Heroin-Spritzen buchstäblich Narben hinterlassen:

"Wo ich auch vier Jahre lang fast mein Leben verloren habe, 34 Kilo, drei Liter Blut verloren hab. Trage heute noch diese Narben. Aber ich trag sie mittlerweile mit Stolz, weil ich es rausgeschafft habe."

Ihr neues Zuhause habe ihr dabei geholfen - vor allem weil sie hier auch nicht alleine lebt. Neben ihrem Häuschen stehen noch fünf weitere. Für Chrissi sei das Zusammenleben dort wie eine große WG. Sie wartet jetzt noch ab, bis sie sich bereit fühlt, den Schritt in eine eigene Wohnung zu wagen. Aber eins steht für sie jetzt schon mal fast: Ihr Leben fängt jetzt erst richtig an.

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